Paulus Hochgatterer: Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war
Wie gehen wir mit Situationen um, die so schwierig und traumatisierend sind, dass uns jegliches Werkzeug dazu fehlt? Die 13-jährige Nelly im Roman von Paulus Hochgatterer schreibt. Sie schreibt, wie es eigentlich hätte sein müssen, wie es wahrscheinlich eigentlich am ehesten gewesen wäre.
Ihr Konjunktiv und ihre selbst gefundenen Ausgänge ihrer Erlebnisse auf dem österreichischen Bauernhof 1944 retten ihr das innere, das geistige Leben. Der Verlust ihrer Erinnerung durch den Verlust ihrer Familie, das Drama, das sich anbahnt mit dem russischen Maler, der auf dem Bauernhof von deutschen Wehrmachtsoldaten aufgestöbert wird, ihre Sehnsucht und ihr Wille, sich den Großvater zum Helden zu machen, werden von ihr schriftlich gestaltet und neu erschaffen. Der Leser liest die wirklichen Ereignisse gleichzeitig mit der Traumabewältigung des Mädchens, beides steht auf einer Ebene nebeneinander und macht uns deutlich, wir Erleben und Verschriftlichung ineinander greifen können. Es gibt keine sentimentale Stelle in diesem Roman, keine überbordende Verzweiflung, nur auf der literarischen Ebene wird uns beides mitgeteilt und sichtbar. Dieser schmale Band macht ein Zeitfenster auf, das durch Sprache eine Größe und Weite bekommt und dann wieder geschlossen wird. Klug und beeindruckend.
(dtv, 10,90 Euro)